Den Schweizerfranken auch in digitaler Form zur Verfügung zu stellen, ist für die Wettbewerbsfähigkeit zentral. Dies darf nicht ausländischen Anbietern überlassen werden, es geht auch um geldpolitische Souveränität.
Gastkommentar von Pascale Bruderer und Alexander Bechtel.
Neue Zürcher Zeitung vom 9. August 2023
Meinung und Debatte
Gemäss einer kürzlich erschienenen Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich beschäftigen sich 93 Prozent aller Zentralbanken weltweit damit, ihre Währungen künftig auch in digitaler Form herauszugeben. In Fachkreisen wird dieser Idee jedoch zunehmend mit Skepsis begegnet (NZZ 30.6.23 und 5. 7. 23).
Vor dem Hintergrund ordnungspolitischer Überlegungen sind die Vorbehalte nachvollziehbar. Daraus zu folgern, es sei auf die regulierte Herausgabe digitaler Währungen gänzlich zu verzichten, wäre jedoch verfehlt und gefährlich – auch und vor allem für die Schweiz. Die Landeswährung in digitaler Form zur Verfügung zu stellen, ist sowohl für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit als auch für die geldpolitische Souveränität unseres Landes wichtig. Es wäre fatal, dieses Feld ausländischen Anbietern zu überlassen.
Aus diesem Grund braucht es einen digitalen Franken als reguliertes Angebot von der Schweiz für die Schweiz. Muss dieser aber notwendigerweise direkt von der Zentralbank herausgegeben und damit die bewährte geldpolitische Rollenteilung über Bord geworfen werden? Nein, findet die Schweizerische Nationalbank (SNB). Bereits im Januar 2022 hat Andréa Maechler – damals SNB-Direktoriums-Mitglied – verlauten lassen, dass es keine Ambitionen gebe, einen digitalen Schweizerfranken an die Endkundschaft auszugeben, da die Risiken die Vorteile überwögen.
Durch ihre besonnene Haltung und das Festhalten am zweistufigen Geldsystem schafft die SNB wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung eines digitalen Frankens durch die Privatwirtschaft.
Es braucht die Agilität, Kundennähe und Innovationskraft von Schweizer Unternehmen, um echte Vorteile für Endnutzerinnen und Endnutzer zu schaffen. Jenen Mehrwert nämlich, welchen die herkömmliche Zahlungsinfrastruktur – mit Transaktionen von Konto zu Konto – nicht leisten kann.
Dabei geht es einerseits um eine Erhöhung der Effizienz im Zahlungsverkehr: Ein digitaler Schweizerfranken ermöglicht vollautomatisierte Mikrozahlungen, rund um die Uhr und auch von Maschine zu Maschine. Basierend auf der existierenden kontenbasierten Zahlungsinfrastruktur sind solche Lösungen kaum umsetzbar. Es fehlen die technischen Voraussetzungen dafür. Ausserdem sind die Kosten einer traditionellen Zahlung bei Kleinstbeträgen zu hoch, was das Gewerbe belastet und innovative Geschäftsmodelle wie beispielsweise eine nutzungsbasierte Abrechnung von Dienstleistungen (Pay-per- Use) verhindert.
Andererseits entfaltet digitales Geld sein volles Potenzial in der sogenannten Tokenökonomie, in welcher sowohl Assets – zum Beispiel Wertschriften – als auch Geld durch digitale Tokens auf einer Blockchain repräsentiert werden. Es geht um nicht weniger als eine tiefgreifende Weiterentwicklung der existierenden Finanzmarktinfrastruktur.
Anstatt komplexer Prozessketten und Abwicklungszeiten von mehreren Tagen verspricht die Tokenökonomie Zug um Zug Geschäfte in Echtzeit und ohne Abwicklungsrisiko. Das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group schätzt die Marktkapitalisierung tokenisierter Assets im Jahr 2030 auf mehr als 14 Billionen Franken. In der Schweiz hat die Sygnum Bank bereits 2021 ein Gemälde von Picasso tokenisiert. Und auch die grossen Häuser arbeiten aktiv an Tokenisierungsprojekten; so war die UBS erst vor wenigen Wochen an der Emission tokenisierter Schuldscheine in Höhe von 24,5 Millionen Franken beteiligt.
Diese Beispiele zeigen, dass der digitale Schweizerfranken eine nützliche und wichtige zusätzliche Option im Zahlungsverkehr bieten wird. Ganz gezielt bei jenen digitalisierten Anwendungen, die nicht abgedeckt werden im System der kontobasierten Zahlungen. Hier eröffnen sich Chancen für neue Partnerschaften und Geschäftsmodelle, von denen auch die Realwirtschaft direkt profitieren soll.
Wir plädieren für einen digitalen Franken, der auf den liberalen Schweizer Werten beruht und sich nach folgenden drei Eckwerten ausrichtet: Erstens breite Verfügbarkeit, was der Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft einen einfachen, sicheren Zugang zum digitalen Schweizerfranken ermöglicht.
Zweitens ein reguliertes Umfeld, das auf die Zusammenarbeit mit lizenzierten Finanzinstituten baut, anstatt diese zu konkurrenzieren. Drittens Miteinbezug der Realwirtschaft, um diese direkt von der Effizienz und Funktionalität der digitalen Zahlungsinfrastruktur profitieren zu lassen.
Rechtssicherheit, solide Regulation, etablierter Finanzplatz, innovative Wirtschaft, ein herausragendes Ökosystem im Bereich Forschung und Entwicklung: Die Schweiz hat alles, was es braucht, um den Weg in Richtung digitale Währungen souverän und mit eigenem Erfolgsmodell zu meistern.
Pascale Bruderer, frühere National- und Ständerätin (SP, Aargau), hat 2022 die Swiss Stablecoin AG gegründet, die zur Herausgabe eines breit zugänglichen, regulierten Schweizerfrankens beitragen will; Alexander Bechtel verantwortet die Digitalstrategie der DWS und ist Experte für Blockchain und digitale Währungen.